Von Nahost nach Filzbach für drei Aikido-Trainings
Wenn absolute Experten ihr Wissen nicht nur im Internet, sondern physisch präsent weitergeben, sind ihre Follower meist nicht weit. Um von den Erfahrungen von Aikido-Lehrer Christian Tissier zu profitieren, reisten einige der 100 Teilnehmenden am letzten Wochenende von Nahost nach Filzbach. Drei Perspektiven.
Faisal Shurdom, Jordanien
Von Amman nach Zürich sind es fast viereinhalb Stunden, Jordaniens Hauptstadt liegt rund 2900 Kilometer Luftlinie von der Schweiz entfernt. Gleichwohl hat es sich Faisal Shurdom zusammen mit zwei Kollegen aus Nahost und einem in Norwegen lebenden Landsmann nicht nehmen lassen, die lange Reise hierher anzutreten. In Amman leitet er eine kleine Trainingsstätte (Dojo), die Community in Jordanien ist höchst überschaubar. Faisal weiss von 15 bis 20 Erwachsenen, die in seinem Land die japanische Kampfkunst betreiben – bei über neun Millionen Einwohnern. Steigend ist die Nachfrage unter Kindern.
Seminare im Ausland kommen Faisal gelegen, um auf andere Gedanken zu kommen. «Die Anreisen sind manchmal etwas umständlich, aber es lohnt sich jedes einzelne Mal», erzählt der dreifache Vater. Jordanien ist von Ländern umgeben, die sich in Kriegs- oder kriegsähnlichem Zustand befinden. «Einmal im Jahr an solche Events zu gehen ist wie Medizin für mich. Man lernt neue Wege für die gleiche Technik, die Leute ticken ähnlich, wollen lernen, sie tauschen sich untereinander aus. Aikido ist für mich nicht nur Training, sondern ein Lifestyle.»
Josef Musil, Tschechien
Als Josef Musil zu reden beginnt, staunt das Gegenüber. Angereist ist er aus Humpolec, einer kleinen Stadt in Südböhmen. Aber weil er 13 Jahre lang als Küchenchef in Zürich gearbeitet und via einen Stammgast zum Aikido gefunden hat, redet er Schweizerdeutsch mit tschechischem Akzent. Es ist ein Heimkommen der schönen Art. Er kennt diverse Leute von Trainings aus dem Dojo in Zürich und freut sich darum diebisch auf das Wiedersehen. «Es ist wie eine grosse Familie», sagt Josef strahlend. «Man trifft sich immer wieder an anderen Orten und verliert sich so nicht aus den Augen.»
Seit 2019 lebt Josef wieder in seinem Heimatland, wo er in zwei verschiedenen Dojos trainiert und dort auch Kindern die Welt des Aikidos näherbringt. Weiterbildungen gehören für ihn zum Programm. Deshalb reist er Anfang November für mehr als einen Monat nach Japan, mit Hansjörg Weber, den er während seiner Zeit in Zürich kennengelernt hat.
Hansjörg Weber, Mollis
Oftmals ist es besagter Hansjörg Weber, der Reisen in teils weit entfernte Länder auf sich nimmt, um seine Aikido-Skills auf ein noch höheres Level zu bringen. Er war heuer schon an sechs verschiedenen Seminaren, in Spanien, der Slowakei, Italien, Ungarn, Bulgarien und in der Schweiz. Am 1. November fliegt zum wiederholten Mal nach Japan, wo in Iwama die knapp fünfwöchige Stage im Programm steht. Diesmal hatte der Molliser als einer der Organisatoren die Welt gewissermassen ins Glarnerland eingeladen.
In Zusammenarbeit mit Aikido Zürich gelang es ihm, Christian Tissier für das letzte Wochenende für drei je zweistündige Trainings in Filzbach zu engagieren. Tissier ist als Träger des achten Dans eine Koryphäe. Dass der 73-jährige Franzose seine jahrzehntelange Erfahrung im Glarnerland weitergibt, wäre in etwa so, wie wenn Roger Federer für einen lokalen Tennisklub als Lehrer zur Verfügung stünde. Christian Tissiers Erscheinen in Filzbach darf als Rarität bezeichnet werden. Letztmals hatte der Globetrotter, dessen Jahresplan trotz etwas lädiertem Knie noch immer randvoll ist, 2011 in der Deutschschweiz unterrichtet.
Neugierig lauschen die Teilnehmenden während der Unterbrüche Tissiers Ausführungen, die er immer wieder fragend mit «you understand?» (versteht ihr?) abschliesst – um wenig später wieder Action auf die Dutzenden ausgelegten Matten in Filzbach zu bringen. «Es war die Reise definitiv wert, egal woher man angereist ist», lautet am Samstagabend nach Abschluss das einstimmige Fazit.
Text: Stefan Baumgartner / Bilder: Romana Zauner